Wir dürfen hier die Antwort von Kerstin Lenz (Vors. Dt. TschB LV M-V / Vors. TSV Demmin) auf eine Anfrage der dpa zur Lage der Tierheime in M-V veröffentlichen:
„Sehr geehrter Herr Schug,
ja, auch in den Tierheimen in M-V gibt es riesige Probleme. Auch bei uns wird vielerorts nichts mehr an Hunden, Katzen und Kleintieren aufgenommen, weil wir alle voll sind und am Ende unserer Kräfte. Fast täglich erreichen uns Anrufe, unser Hund hat unser Kind gebissen. Er muss sofort weg. Oder wir haben letzte Woche einen Hund gerettet, jetzt bellt er den ganzen Tag, können wir ihn ins Tierheim bringen. Oder der Hund ist zu groß geworden, wir wollten einen kleineren, können wir ihn umtauschen … und so geht es jeden Tag. Uns werden nur noch große, verhaltensauffällige oder kranke Tiere angeboten. Die Menschen können die OP-Kosten nicht mehr zahlen. Tiere werden immer öfter eingeschläfert, weil niemand sie mehr aufnimmt oder der Tierarzt nicht bezahlt werden kann. Das würde natürlich kein Tierarzt öffentlich sagen, aber in der Praxis kommt es immer öfter vor.
Genauso schlimm ist es vielerorts mit den Katzen. Täglich kommen Kitten in die Heime. Mal im Wald gefunden, mal über Nacht vom Himmel gefallen, mal krank, mal gesund, mal mit Mutter, mal ohne. Jeder von uns hat Kitten zuhause, die er mit der Flasche groß zieht. Wir wissen nicht mehr wohin mit den vielen Katzen.
Immer neue Animal Hoarding Fälle werden von den Veterinärämtern eingewiesen, zuletzt 47 Hunde mit Räude, total verhaltensgestört und krank. Niemand holt sich so einen Hund aus dem Heim.
Wir finden keine Ehrenamtler mehr, die 365 Tage im Jahr ohne Geld arbeiten. Wir finden keine Menschen mehr, die im Ehrenamt einen Verein leiten, und wir finden auch keine Menschen mehr, die für Mindestlohn nachts rausfahren und Hunde einsammeln.
Wir sind nur zu 50% ausfinanziert, von den Ämtern, deren Pflichtaufgaben wir erfüllen. Wir müssen jeden Tag um Spenden betteln, um den Tierarzt bezahlen zu können und unsere Leute.
Zu Corona-Zeiten hat der Handel mit Tieren unglaubliche Ausmaße angenommen. Jetzt sollen unerzogene und bissige Tiere abgeschoben werden. Wir können sie nicht aufnehmen. Wir haben weder die Kapazität noch das Personal für diese Tiere. Wo sie bleiben???? Oft beim Tierarzt! Wir können es nicht ändern.
Die Menschen kaufen Tiere vom Sofa aus im Internet, ohne Vorkenntnisse und ohne finanzielle Grundlage.
Die Politik schiebt die Verantwortung von Einem zum Anderen. Es dauert oft Jahre, bevor etwas beschlossen wird. Wir haben 10 Jahre für einen neuen Fundtiererlass gekämpft. Seit 2020 gibt es ihn und trotzdem werden Bürger und wir Tierschützer von Ordnungsämtern beschimpft und beleidigt, wenn wir Fundtiere bringen oder melden.
Viele von uns sind am Ende ihrer Kräfte. Mehrere Vereine stehen vor der Aufgabe, weil keine Leute da sind und zu wenig Geld. Natürlich ist es regional unterschiedlich und es gibt auch Vereine, die finanziell gut aufgestellt sind. Es liegt an den Menschen, wie viel Kraft und Mut und Ausdauer sie haben. Leider werden diese Menschen immer weniger.
Es ist wirklich fünf vor 12 und wir gehen mit allen Forderungen, die die Hamburger aufgestellt haben, mit und unterstützen sie. Den Brandbrief vom Bündnis „Schattenhund“ teilen auch wir. Leider sind unsere Vereine so mit den täglichen Aufgaben beschäftigt, das für Politik kaum Zeit ist. Und auch wir im Landesverband, die ehrenamtlich alle einen Tierschutzverein leiten und zusätzlich ehrenamtlich einen Landesverband, können die vielen Aufgaben nicht mehr bewältigen. Ich schreibe Ihnen um Mitternacht, weil am Tag die Tiere versorgt werden müssen und täglich neue Probleme gelöst werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Lenz“
Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes Landesverband M-V und
Vorsitzende des Tierschutzvereines Demmin u.U. e.V.
Aug. 2023
(Bilder: Pixabay)